ein Gastbeitrag von Dr. Tamara Rachbauer

In diesem Beitrag ist der Titel tatsächlich Programm. Mit dem E-Portfolio lassen sich sprichwörtlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits kann damit eine Prüfung auf einfache Art und Weise online abgenommen werden – das heißt die jeweils aktuellen Corona-Auflagen sind diesbezüglich irrelevant – und zweitens prüft man mit E-Portfolios kompetenzorientiert und unterstützt dabei noch ganz aktiv den Lernprozess der Studierenden.

Seit vielen Jahren setze ich das E-Portfolio deshalb als Lernunterstützung und als Prüfungsform in meinen Lehrveranstaltungen in der Bildungswissenschaft ein. Dies hat es mir erspart, die Prüfungsform aufgrund der Corona-Pandemie ändern zu müssen.

Außerdem macht mir diese Prüfungsform viel Spaß und die Studierenden schätzen sie auch. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen deshalb davon erzählen.

Vielleicht ist ein E-Portfolio ja auch eine gute Prüfungsform für Ihre nächste Lehrveranstaltung …?

E-Portfolio als gute Alternative

Nicht ohne Grund wird das E-Portfolio schon seit geraumer Zeit und noch lange vor Corona als semesterbegleitendes Online-Fernprüfungsinstrument eingesetzt. Doch insbesondere seit dem ersten Lockdown im März 2020 hat das E-Portfolio noch mehr an Popularität im Zusammenhang mit Online-Fernprüfungen gewonnen. Denn mit Beginn der Pandemie im Sommer 2020 konnten Universitäten die bisherigen Präsenzprüfungen aufgrund der Corona-bedingten Hygieneauflagen nicht mehr in gewohnter Art und Weise vor Ort realisieren. Gefragt waren alternative Prüfungsformate, die online durchführbar sind (Birnkammerer, Günther, Müller & Rachbauer, 2020, 2020a).

Am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Passau haben wir das E-Portfolio aber schon davor als Prüfungsinstrument zur Leistungserhebung und Leistungsbeurteilung schätzen gelernt.

Konkret setzen wir es stets nach folgendem Prinzip ein: Während eines Seminars erhalten die Studierenden regelmäßig kleinere Arbeitsaufträge (Prozessteil bzw. Prozessportfolio), die Bezug zur abschließenden Haus-/Seminararbeit (Produktteil bzw. Produktportfolio) haben. Diese Arbeitsaufträge können von Rechercheaufgaben über die Erstellung von Podcasts oder Vodcasts, Gruppenreferaten bis hin zu kleineren wissenschaftlichen Ausarbeitungen oder auch empirischen Studien reichen.

Sie dienen der Leistungsfeststellung (Workload-Erfüllung) und werden formativ mittels regelmäßigen konstruktiven Feedbacks mit Überarbeitungsmöglichkeit bewertet. Bei der Erstellung der Haus-/Seminararbeit verwenden die Studierenden die kleineren Arbeitsaufträge, um daraus eine Abschlussarbeit (Produktteil bzw. Produktportfolio) zu erstellen, die dann zur summativen Leistungsbewertung herangezogen und mit einer Ziffernnote bewertet wird (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Aufbau des E-Portfolios am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik mit formativ (Prozess-E-Portfolio) und summativ (Produkt-E-Portfolio) zu bewertenden Bestandteilen.

E-Portfolio am Beispiel der Universität Passau

Um das ganze konkreter und greifbarer zu machen, zeige ich Ihnen, wie die E-Portfolio-Arbeit am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Passau mit dem Blog- und Portfolio-Objekt im Learning Management System Ilias seit dem Online-Sommersemester 2020 umgesetzt wird. Dazu wurde ein auf dem Learning Management System Ilias basierendes E-Portfolio-Begleitseminar entwickelt, das fest in den Ablauf der einzelnen Seminare integriert ist (Rachbauer & Hansen, 2018).

Vorgehen

Einmal wöchentlich fanden virtuelle Präsenzsitzungen über Webkonferenzen statt. Dann folgten jeweils virtuelle E-Portfolio-Phasen über Ilias. Zudem wurde zu Semesterbeginn, zur Semesterhalbzeit und zu Semesterende jeweils eine virtuelle Präsenzsitzung als E-Portfolio-Sprechstunde vorgesehen, in welcher es rein um die Beschäftigung mit dem E-Portfolio ging, d. h. dem Anlegen, dem Einbinden von Dateien, dem Freigeben, dem Abgeben etc.
Während der regulären virtuellen Präsenzsitzungen vermittelten die Dozierenden die für das jeweilige Seminar relevanten Inhalte bzw. gaben eine Einführung in ein bestimmtes Thema.

Außerdem hatten die Studierenden immer zu Beginn einer regulären virtuellen Präsenzsitzung ca. 15 Minuten Zeit, um Fragen zum E-Portfolio zu stellen. Die E-Portfolio-Phasen dienten den Studierenden dazu, die in den virtuellen Präsenzsitzungen vermittelten Inhalte selbstständig zu vertiefen und die E-Portfolio-Aufgaben online zuhause auszuarbeiten. Auf diese kleineren Ausarbeitungen erhielten die Studierenden von mir ein individuelles Feedback mit der Möglichkeit, noch Überarbeitungen durchzuführen.

Bei der Erstellung der abschließenden Haus-/Seminararbeit, d. h. dem Produktportfolio, verwendeten die Studierenden die kleineren Arbeitsaufträge, um daraus die Seminar-/Hausarbeit zu erstellen, die dann zur summativen Leistungsbewertung herangezogen und mit einer Ziffernnote bewertet wurde (Rachbauer, 2020, 2020a).

Die Umsetzung am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Aufbau des E-Portfolio-Begleitseminars mit den Hilfe- und Supportmaßnahmen.
Welche didaktische Vorteile bringen E-Portfolios mit sich?
  • Durch regelmäßiges, begleitendes Feedback erhalten die Studierenden bereits während der Veranstaltung die Möglichkeit sich nachhaltig zu verbessern.
  • Motivation steigt, über das ganze Semester hinweg aktiv in der Veranstaltung zu bleiben. Prokrastination wird vermieden.
  • Mehr Möglichkeiten durch multimediale Inhalte. Videos, Podcasts, interaktive Elemente, digitale Lernmodule, etc. sind in Papierform nur schwer möglich.
  • Erwerb weiterer Kompetenzen im Bereich Medienproduktion und IT
Welche rechtlichen, technischen und kommunikativen Herausforderungen werden gelöst?
  • Rechtlich: Während beispielsweise Online-Proctoring datenschutzrechtlich viele Fragen aufwirft, ist das E-Portfolio in vielen Prüfungsordnungen bereits verankert und kann bedenkenlos und ohne Zeitverlust eingesetzt werden. Auch der Grundsatz auf Chancengleichheit scheint durch E-Portfolios gewahrt zu bleiben, da die Studierenden keiner zeitlich kritischen Situation ausgesetzt werden, in der es zu technischen Problemen kommen kann oder die Zeit zur Beantwortung der Fragen zu knapp bemessen ist.
  • Technisch: Große synchrone Online-Prüfungen mit 300 und mehr Teilnehmer*innen stellen eine Herausforderung an die technische Infrastruktur dar. Mit jeder zusätzlichen Applikation und jedem Endgerät nimmt auch die Fehleranfälligkeit zu. Durch die asynchrone Abgabe von E-Portfolios werden Systemlast und teure Online-Proctoring-Systeme vermieden. Die Gefahr einer Wiederholung von Prüfungen aufgrund technischer Probleme wird ebenfalls reduziert, womit sich auch der Organisationsaufwand insgesamt reduzieren lässt.
  • Kommunikativ: Für die Durchführung der Prüfungsaufgaben sind keine Aufsichtspersonen nötig. Durch regelmäßige Feedbacks während des Semesters verteilt sich zudem der Korrekturaufwand. Schließlich wird durch die digitale Kommunikation in ökologischer Hinsicht Papier und somit CO² eingespart.
Wie groß ist das Potential dieses Online-Fernprüfungsformates für andere Studiengänge und Fachbereiche?
  • Anwendbar auf alle Fachbereiche: Lehramtsstudiengänge, Medienwissenschaften, Informatik, Jura, Wirtschaftswissenschaften etc.
  • Der Einsatz von E-Portfolios wird bedingt durch die auch aktuell noch immer gegebene „Notwendigkeit“, auf elektronische Prüfungen umzusteigen, nicht nur an der Universität Passau, sondern an vielen Stellen diskutiert.

Fazit

Ich persönlich schätze das E-Portfolio als kompetenzorientiertes und reflexionsanregendes Prüfungsformat nicht erst seit den vergangenen Corona-Semestern. Auch davor ist mir immer wieder aufgefallen, dass Studierende entweder sehr wenig nachfragen oder ich in den Seminaren auch einfach nicht die Zeit habe, alle Fragen zu beantworten.

Die regelmäßigen E-Portfolio-Arbeitsaufträge geben mir hier aber einen sehr guten Einblick, wie die Studierenden die vermittelten Inhalte verstanden haben. Denn zusätzlich zum Arbeitsauftrag wünsche ich mir von den Studierenden auch immer eine kurze Reflexion, was ihnen warum schwer oder leicht gefallen ist. Mein persönliches Feedback auf diese Arbeitsaufträge ermöglicht es mir einerseits den Studierenden individuell Rückmeldung zu geben, andererseits sehe ich aus der Ausarbeitung aber auch aus der Reflexion, welche Inhalte nicht richtig verstanden wurden und ich deshalb in der nächsten Seminarsitzung noch einmal nachbesprechen bzw. vertiefen sollte.

Meine Studierenden wiederum schätzen das E-Portfolio zum einen aufgrund des individuellen Feedbacks und der Überarbeitungsmöglichkeiten der Arbeitsaufträge, da sie dadurch bessere Bewertung erreichen können. Zum anderen sehen sie, dass ich ihre Ausarbeitungen und ihre Reflexionen ernst nehme.

Literaturverzeichnis

Birnkammerer, B., Günther, S., Müller, C., & Rachbauer, T. (2020). Handreichung: Online-Prüfungen – so geht’s! Transferforum Didaktik-Technik (Di-Tech) Expertinnen- und Expertengremium für Online-Lehre an der Universität Passau. Abgerufen von https://wp-lehre.uni-passau.de/online-lehre/downloads/ [12.07.2021]

Birnkammerer, B., Günther, S., Müller, C., & Rachbauer, T. (2020a). Arbeitspapier. Digital gestützte Prüfungsformate. Transferforum Didaktik-Technik (Di-Tech) Expertinnen- und Expertengremium für Online-Lehre an der Universität Passau. Abgerufen von https://wp-lehre.uni-passau.de/online-lehre/downloads/ [12.07.2021]

Rachbauer, T. (2020). Ein ILIAS-Begleitseminar zur E-Portfolio- und Reflexionsarbeit am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Didaktik. Digital Learning Media Pro – Praxisberichte Zum Einsatz Digitaler Medien an Der Hochschule , (4), 16. Abgerufen von https://ojs3.uni-passau.de/index.php/dlmp/article/view/217 [12.07.2021]

Rachbauer, T. (2020a). E-Portfolio unterstütztes Reflektieren in der LehrerInnenbildung. In J. Pauschenwein, E. Krainz & L. Michelitsch (Hrsg.), Innovation & Reflexion – Henne oder Ei? Tagungsband zum 19. E-Learning Tag der FH JOANNEUM am 23.09.2020 (S. 103–115). Verlag der FH JOANNEUM Gesellschaft mbH.

Rachbauer, T., & Hansen, C. (2018). Reflektieren? Worauf und Wozu? Arbeiten mit dem E-Portfolio – ein Reflexionsinstrument für die LehrerInnenbildung am Beispiel der Universität Passau. e-teaching.org. Portalbereich: Aus der Praxis. Abgerufen von https://www.e-teaching.org/praxis/erfahrungsberichte/e-portfolios-als-mittel-zur-erhoehung-der-reflexionsfaehigkeit-im-lehrerberuf?externalpreview&_authenticator=12e9816e587c0f14b9efe4efc69a3ba01cc36d38 [12.07.2021]

Herzlichen Dank für den Gastbeitrag an Dr. Tamara Rachbauer!

Dr. Tamara Rachbauer ist Bildungswissenschaftlerin (MA) und Medieninformatikerin (BSc). Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Didaktik und ist Mediendidaktische Leiterin am Transferforum Didaktik-Technik (DiTech), dem Expertinnen- und Expertengremium für Online-Lehre an der Universität Passau. Tamara Rachbauer hat zum Thema E‑Portfolios in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern promoviert und ist darüber hinaus Ansprechpartnerin für Fernprüfungen an der Universität Passau. Zusätzlich arbeitet sie als Moodle- und ILIAS-Kurs-Entwicklerin, E-Learning-Beraterin und Trainerin für Schulen und Hochschulen in Bayern und Österreich. 

Möchten Sie mehr wissen? Dann schauen Sie doch mal in den Selbstlernkurs von Dr. Tamara Rachbauer und Dr. Ulriek Hanke „Prüfungen und Leistungsnachweise in der reinen Online-Lehre – so geht’s“.

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