Wann sind Studierende zufrieden mit einer Lehrveranstaltung?

Wenn sie alles sofort verstehen? Wenn der Dozent dauernd Witze reißt? Wenn die Dozentin immer früher Schluss macht?

Studierende sind individuell, es gibt also 1001 Antworten auf diese Frage. Es gibt aber eine Handvoll allgemeiner Faktoren, die wirklich starke positive Effekte auf die Zufriedenheit und den Lernerfolg der Studierenden haben.

Ganz vorne mit dabei ist die Beziehung zu dem oder der Dozierenden. Wenn Studierende sich wertgeschätzt und verstanden fühlen, wenn sie der Lehrperson vertrauen und, bestenfalls, wenn sie sogar etwas mit ihr gemeinsam haben, dann fühlen sie sich wohler und lernen mehr – auch, oder vielleicht sogar vor allem, online.

Eine schlechte und zwei gute Nachrichten

Gute Nachricht: Dass Beziehungen wichtig sind, lässt viel Spielraum für unsere individuelle Persönlichkeit. Wir müssen nicht der perfekte Dozent, die perfekte Dozentin sein – wir dürfen wir selbst sein und Dinge tun, die unserem Geschmack entsprechen (z. B. Humor einsetzen, oder eben nicht).

Es gibt aber auch eine schlechte Nachricht: Wir müssen Energie und Zeit investieren, um Studierenden Wertschätzung und Empathie zu vermitteln, sie etwas kennenzulernen, und Gemeinsamkeiten mit ihnen zu finden.

Die eigene Lehrtätigkeit auf die Inhalte zu beschränken, reicht nicht – vor allem nicht in der Online-Lehre.

Dann gibt es aber wiederum eine weitere gute Nachricht: Es muss sich gar nicht um VIEL Energie und Zeit handeln. Allein mithilfe von Lehrvideos lässt sich die Beziehung zu den Studierenden prima aufbauen bzw. stärken. Hier sind 5 einfache Tipps dafür.

Tipp 1: Zeige dich menschlich

Zeige in deinen Videos mehr als nur deine “Lebenslauf-Persönlichkeit”. Wähle gezielt ein paar Dinge, die über deine Arbeit hinausgehen, und bringe sie ins Video mit ein. Das ist vor allem dann wichtig, wenn das Video von Studierenden geschaut wird, die dich noch nie live erlebt haben.

Das könnte z. B. so aussehen:

  • Nutze Dinge, die um dich herum sind. Trinke im Video aus deiner Lieblings-Tasse und sage etwas dazu. Vielleicht läuft deine Katze ins Bild und du erzählst, dass sie das immer gerne macht.
  • Erzähle von deinem Hobby, Wohnort, Lieblings-Medien. Ein Dozent in den Rechtswissenschaften baut seine erste Vorlesung rund um Game of Thrones auf.
  • Erzähle vielleicht auch von deinen persönlichen Erfahrungen mit dem Stoff. Wie ging es dir damals, als du ihn gelernt hast? Hast du Fehler gemacht? Hat dich etwas überrascht?

Wenn du viele kleinen persönlichen Dinge teilst, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Studierenden sich mit dir identifizieren können und dich als authentisch und ansprechbar wahrnehmen.

Tipp 2: Vermeide Perfektion

Perfekte Videos sind laut Video-Expertin Karen Costa nicht nur unnötig, sondern vielleicht sogar schädlich. Denn Fehler machen sympathisch. In einer Studie haben Teilnehmende Aufnahmen von einem Mann gesehen, der Fragen beantwortet hat. Seine Antworten waren je nach Gruppe meistens richtig oder meistens falsch – und in manchen Aufnahmen hat man zusätzlich gehört, dass er aufspringt und sagt: “Oh nein, ich habe Kaffee über mich geschüttet!“.

Wann empfanden die Teilnehmenden am meisten Sympathie für den Mann?

Wenn er kompetent war, also viele Fragen richtig beantwortet hat, zugleich aber auch Kaffee über sich geschüttet hat. Ja, das kam besser an, als Kompetenz ohne Kaffee-Unfall!

Du musst in deinem Video keinen Kaffee über dich schütten. Die Imperfektion, die Menschlichkeit stammen z. B. aus Versprechern, Katzen, die durch das Bild laufen, oder auch allein aus der Tatsache, dass du kein professionelles Studio und Equipment nutzt. Sieh deine ganz normalen Hintergründe und unprofessionelle Beleuchtung als Vorteil. Solang das Video von den Sinnen her angenehm zu gucken ist (nichts krass über- oder unterbeleuchtet, Ton ist verständlich), kannst du dich zufriedengeben. Hollywood-Qualität kann in Hollywood bleiben.

Tipp 3: Sprich die Lernenden direkt an

Was inzwischen in wissenschaftlichen Texten immer beliebter wird, gilt in Videos gleich doppelt: Passive Formulierungen mit vielen Substantivierungen wirken kalt und unpersönlich. Anstatt zu sagen, was “zu tun ist”, sprich die Lernenden lieber direkt an.

Hier ein paar Beispiele:

“Der Syllabus befindet sich im ersten Ordner”
“Den Syllabus finden Sie im ersten Ordner”

“Fragen können in meiner Sprechstunde gestellt werden”
“Kommt gerne in meine Sprechstunde, wenn ihr Fragen habt”

“In diesem Seminar werden Smart Cities thematisiert”
“In diesem Seminar schauen wir uns an, was Smart Cities besonders macht”

Tipp 4: Erkläre die Hintergründe

Lernende sind motivierter, Dinge zu tun, wenn sie verstehen, warum sie diese Dinge tun sollen. Es klingt banal, aber viel zu oft erzählen wir Lernenden einfach, dass etwas wichtig ist, oder wie etwas gemacht werden soll, ohne dass wir die Logik dahinter begründen.

In Mathe-Klausuren bekommt man Punkte abgezogen, wenn man den Rechenweg nicht zeigt. Auch in der Lehre sollten wir den “Rechenweg” zeigen.

Erzähle im Video also, warum die Inhalte relevant und interessant sind, warum du diese und nicht jene Methoden gewählt hast. Das ist nicht als Rechtfertigung zu betrachten: Sieh es nicht als Gerichtsverfahren, wo du dich verteidigen musst; sieh es vielleicht lieber als Paper oder Poster, in der du dein Vorgehen mit wenigen Worten auch für fachfremde Forschende verständlich darstellen willst.

Das könnte z. B. so klingen:

“Wir werden uns die Schriften von Matisse anschauen. Warum? Es wird Ihnen ermöglichen, in Zukunft selbständig mit anderen Primärquellen zu arbeiten…”

“Ich werde Sie bitten, vier Reflexionen der Texte einzureichen. Das stellt sicher, dass alle vorbereitet zur Sitzung kommen – sie ist für uns alle viel spannender, wenn wir sie für Diskussionen nutzen können…”

Tipp 5: Last but not least, be kind to yourself

Videos von sich selbst aufzunehmen, ist eine Herausforderung. Am Anfang wird man vielleicht immer rot. Verspricht sich. Fühlt sich einfach ganz komisch. Kann vielleicht den Klang der eigenen Stimme nicht ausstehen.

Diese und andere Hürden habe ich selbst erlebt, von vielen Bekannten gehört, und auch in Büchern gelesen. Wenn du sie auch kennst, dann bist du nicht alleine damit.

Am wichtigsten ist beim Video also zunächst auch die Beziehung zu sich selbst. Wenn wir wahrnehmen, dass das Aufnehmen sich komisch anfühlt, dann können wir uns selbst ein inneres Lächeln zuschicken und uns sagen: Ja, das gehört dazu. Ich schaff das schon.

Eine solche Haltung wird sich nämlich auch im Video widerspiegeln – und dann stecken wir auch die Studierenden ein bisschen damit an: Ja, das gehört dazu. Ich schaff das schon.

Fazit: Videos sind besonders wirksam, wenn wir bestimmte Dinge beachten

Lehrvideos machen uns menschlich, ansprechbar, und sympathisch – das kann in der Lehre ganz Großes bewirken. Selbst in ganz sachlichen Videos, wo Inhalte erklärt werden sollen, können wir eine Beziehung zu Studierenden aufbauen und aufrechterhalten. Das geht auch mit wenig Aufwand. Darum: Trau dich, in deinen Videos für Studierende du selbst zu sein.

Das ist nicht nur in Ordnung – sondern die beste Art, um dranzugehen!

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