Ein Erfahrungsbericht aus dem universitären Alltag zum Thema „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“
Von Dr. Tamara Rachbauer, Uni Passau
Wie geht es weiter mit der Hochschullehre in der Pandemie und nach der Pandemie? Diese Frage stellen sich im Moment sehr viele. Die Studierenden haben in den vergangenen Corona-Semestern einerseits die Präsenzlehre und vor allem den unmittelbaren Austausch mit Dozierenden und Kommiliton*innen vermisst, auf der anderen Seite die Vorteile der Online-Lehre wie die erhöhte Flexibilität und das selbstgesteuerte Arbeiten im Selbststudium kennengelernt. Wie geht es nun weiter? Können und sollten wir, wie viele meinen, einfach zurück in die Präsenz, wenn das dann mal möglich ist?
Ich denke, dass man damit das Potential der Online-Lehre verschenken würde und den erzielten Entwicklungsschub rückgängig machen würde. Ich habe deshalb in diesem Semester begonnen, mit dem sogenannten HyFlex-Format zu arbeiten und bin extrem zufrieden. Aus diesem Grund zeige ich Ihnen hier, wie ich das konkret gemacht habe, was gut lief und wo die Stolpersteine waren.
HyFlex - was ist das denn?
Sie fragen sich vielleicht, was das HyFlex-Lehrformat überhaupt ist. Beim HyFlex-Format bieten wir den Studierenden die Wahl, ob sie vor Ort in Präsenz an der Lehrveranstaltung teilnehmen wollen, ob sie sich via Videostream virtuell dazu schalten möchten oder ob sie die Lehrveranstaltung vollständig im Selbststudium (asynchrone Lehre) bearbeiten. Dieses Format bietet den Studierenden damit ein Höchstmaß an Autonomie und Flexibilität.
Meine Lehrveranstaltung zum Thema „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ im HyFlex-Format
Die Lehrveranstaltung „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ ist aus der Notwendigkeit heraus entstanden, dass Studierende im Lehramtsstudium der Grundschulpädagogik kaum Erfahrungen im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens mitbringen, bzw. während ihrer Schulzeit nicht mit dem wissenschaftlichen Arbeiten konfrontiert worden sind. Entsprechend fällt auch die Qualität der Seminararbeiten aus. Da in den regulären Seminaren keine Zeit für eine entsprechende Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten gegeben ist, bzw. eine solche Einführung auch nicht in den Modulplänen vorgesehen ist, entstand die Idee, ein entsprechendes Seminar in Form eines Workshops zu konzipieren, das sich in den Studienablauf so integrieren lässt, dass die Studierenden nicht zusätzlich belastet werden, sondern dieses Seminar als Begleitung für ihre Seminararbeiten in den regulären Seminaren nutzen können.
Aus diesem Grund habe ich ein Seminar zum Thema „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ konzipiert, das sowohl als Präsenzseminar, als auch als synchrones Online-Seminar und als reines asynchrones Online-Seminar zum Selbststudium zur Verfügung steht (= HyFlex-Course Model), um den Studierenden auch bei der Studierbarkeit größtmögliche Flexibilität bieten zu können.
Das Kurs-Programm im HyFlex-Format
Der Kurs ist insgesamt mit recht wenig synchronen Lehrphasen gestaltet, um die Lehramtsstudierenden in ihrem ohnehin sehr straffen Stundenplan nicht mit zu vielen zusätzlichen Präsenz- bzw. Video-Konferenzsitzungen zu belasten. Außerdem finden die Termine kurz vor der vorlesungsfreien Zeit statt, da sich die Studierenden mit der wissenschaftlichen Arbeit erfahrungsgemäß meist erst in dieser Semesterphase, bzw. nach den Klausuren auseinandersetzen. Studierende höherer Semester, die kurz vor ihrer Abschlussarbeit stehen, können den Workshop auch komplett im Selbststudium als asynchrones Online-Seminar mit individuellen (Online-)Sprechstunden besuchen. Zudem haben die Studierenden die Möglichkeit, nur einzelne Themenblöcke durchzuarbeiten, in denen sie sich noch unsicher fühlen oder Unterstützung wünschen. Für den Erwerb der Leistungspunkte sind aber alle vier Leistungsnachweise zu erbringen.
Das Workshop-Programm umfasst folgende vier Themenblöcke:
- Vorarbeit: Themenwahl, erste Orientierung, Literaturrecherche, Literatur sichten, sortieren und bewerten
- Hauptarbeit: Aufbau, Inhalts-, Literaturverzeichnis, Einleitung, Hauptteil, Schlussbetrachtung
- Feinarbeit: Zitieren, Formatierung, Stil, Abbildungen und Tabellen
- Exkurs: Plagiatescanner einsetzen, Ergebnisse interpretieren
Leistungsüberprüfung/Kompetenzüberprüfung
Um Leistungspunkte zu erhalten, müssen die Studierende die folgenden Leistungsnachweise erbringen, unabhängig davon in welcher Variante sie das Seminar besuchen:
- Absolvieren jeweils eines Selbstchecks zum wissenschaftlichen Arbeiten pro Themenblock
- Durchführen einer Online-Literaturrecherche zu vorgegebenen Begriffen (ILIAS Glossar)
- Überarbeiten des gewählten Begriffs nach verschiedenen Zitierstilen (APA, DGP, Harvard)
- Verfassen eines Literatur- und Inhaltsverzeichnisses sowie eines Abstracts für das Produkt-ePortfolio (wissenschaftlich fundierte Ausarbeitung/Hausarbeit/Seminararbeit) (ILIAS Übung)
- Nutzen eines Plagiatescanners und korrektes Interpretieren der Ergebnisse (ILIAS Übung)
Vor dem Start des eigentlichen Seminars habe ich eine virtuelle Informationsveranstaltung durchgeführt, in der ich über den Ablauf der verschiedenen Teilnahmemöglichkeiten informiert habe. Dabei habe ich auch Empfehlungen gegeben, welches Format für welches Vorwissen geeignet ist.
Die drei Möglichkeiten der Teilnahme am Seminar
Varianten 1 und 2: Mit Präsenzsitzungen und Video-Konferenzen
In den beiden Varianten „Präsenzseminar“ bzw. synchrones Online-Seminar gab es jeweils vier Präsenz-Seminarsitzungen, bzw. vier Video-Konferenzsitzungen zu je zwei Semesterwochenstunden (SWS). Dabei waren die Vor-Ort-Präsenztermine nicht gleichzeitig mit den Video-Konferenzsitzungen, d.h. es wurde primär nicht hybrid gearbeitet, und ich bot insgesamt vier Präsenz- und vier Online-Sessions an. Beide Varianten wurden von Online-Phasen begleitet. Die Online-Phasen deckte ein Ilias-Begleitseminar ab, das den Studierenden als Ergänzung und zur Vertiefung der vermittelten Inhalte in den Präsenz-Seminarsitzungen bzw. Video-Konferenzsitzungen diente und die zu bearbeitenden Aufgabenstellungen enthielt.
Variante 3: Asynchrones Online-Seminar im Selbststudium
Bei Absolvierung im reinen Selbststudium entfallen die vier Präsenzsitzungen bzw. Video-Konferenzen. Die Inhalte der einzelnen Themenblöcke stehen stattdessen als Skripte und Video-Tutorials sowie weiteren Selbstlern-Materialien in Form von Webseiten, Online-Selbstchecks etc. im ILIAS-Kurs zur Verfügung.
Hilfe- und Support-Maßnahmen
Bei auftretenden Fragen stehe ich als Seminarleiterin den Studierenden während des gesamten Semesters als Ansprechpartnerin auf unterschiedlichen Wegen zur Verfügung, sei es per E-Mail, telefonisch oder über Online-Sprechstunden per Videokonferenz. Zusätzlich habe ich mich beim ersten Durchlauf des Seminars täglich in das Ilias-Begleitseminar eingeloggt, um die Studierenden in ihrem Lernprozess zu unterstützen.
Studierenden-Feedback zum HyFlex-Workshop
Die Auswertung der Online-Befragung zum HyFlex-Seminar hat gezeigt, dass das Angebot bei den Studierenden sehr gut angekommen ist. Positive Rückmeldung gab es vonseiten der Studierenden auch zum Wechsel zwischen Zoom-Video-Konferenz-Veranstaltungen und Onlinephasen mit den dazu vertiefenden Aufgabenstellungen. Dieser Wechsel hat geholfen, das Wissen der in den Zoom-Video-Konferenz-Veranstaltungen vermittelten Themenblöcke zu vertiefen und zu verstehen. Besonders geschätzt haben die Studierenden auch die Flexibilität in Sachen Studierbarkeit und damit verbunden der Möglichkeit zwischen den verschiedenen Formaten jederzeit switchen zu können.
Hier noch ein paar Studierendenaussagen zum HyFlex-Workshop:
- Ich finde dieser Online-Kurs ist bereits eine sehr gute Hilfestellung und beinhaltet einen sehr guten Überblick zum wissenschaftlichen Arbeiten.
- Alles super, super Hilfestellung und schnelle Rückmeldung. Danke! 🙂
- Online-Seminar wurde verständlich und übersichtlich gestaltet.
- Das Seminar hätte in den Corona-Zeiten nicht besser organisiert werden können.
- Die Inhalte wurden alle sehr gut übermittelt und waren durchweg strukturiert.
- Gute verständliche Gestaltung
- Auch bei der reinen asynchronen Variante war die Betreuung jederzeit gegeben!
- Durch die Möglichkeit zwischen den verschiedenen Varianten switchen zu können, konnte ich auch während der Kinderbetreuung das Seminar bzw. meine Seminararbeit optimal abschließen. Danke!
Mein Fazit
Ich beginne einmal mit den eher aufwändigen Dingen, bevor ich dann das Positive bzw. die Punkte anspreche, die mich dazu bewogen haben, dieses Format auch im kommenden Sommersemester wieder einsetzen zu wollen.
Der Aufwand für das zusätzliche Gestalten der Materialien wie Video-Tutorials, Skripte etc. für die reine asynchrone Variante ist nicht zu unterschätzen. Natürlich hätte ich die Video-Konferenzsitzungen aufzeichnen können, was in meinem Fall aber aufgrund des aktiven Formats mit Gruppenarbeiten und Diskussionen nicht sinnvoll, bzw. möglich gewesen wäre.
Auch war es manchmal nicht ganz so leicht nachzuvollziehen, wer jetzt an welchem Format teilnimmt, da ich ja das „Switchen“ erlaubt hatte. Hier ist es sehr wichtig, dass die Inhalte bzw. Blöcke bei allen drei Formaten wirklich so aufgebaut sind, dass ein inhaltliches Switchen überhaupt möglich ist.
Auch muss abgeklärt werden, wie die Abrechnung bezüglich des Lehrdeputats für die reine asynchrone Variante an Ihrer Bildungsinstitution erfolgen kann. In meinem Fall habe ich das Seminar aufgrund der drei Varianten auch als drei unabhängige Seminare angeboten. Die Studierenden konnten sich nach der Informationsveranstaltung zu ihrer bevorzugten Variante anmelden mit der Option switchen zu können, zumindest zwischen der synchronen Online-Variante und der asynchronen Online-Variante. Aufgrund der Abstands- und Hygienevorschriften musste ich die Präsenz-Variante auch einmal hybrid durchführen, also einen Teil online per Video-Konferenz zuschalten, weil sich bei einem Block sehr viele dazu entschieden haben, in die Präsenz-Variante zu switchen. Aber auch unabhängig vom Pandemiegeschehen bietet der gebuchte Raum ja nur einer bestimmten Anzahl an Teilnehmenden Platz, also muss man berücksichtigen, dass es durch das Switchen immer dazukommen kann, dass man hybrid unterrichten muss. Mit anderen Worten muss man als Lehrende/r sehr flexibel und medien- bzw. technik-affin sein, um schnell auch hybrid anbieten zu können.
Zudem ist es wichtig, dass die Studierenden immer frühzeitig Bescheid geben, falls sie das Format switchen. Nur so kann man sich als Lehrende/ einstellen. Ich habe das über unser LMS organisiert und für die Studierenden aller drei Formate einen gemeinsamen ILIAS Kurs erstellt und dort eine gemeinsame Anmeldemaske angelegt, über die sie sich zu jedem der vier Termine neu in das gewünschte Format eintragen mussten.
Ob man wirklich auch das Switchen erlauben möchte, bzw. wie man das Switchen zwischen den Kursen organisatorisch umsetzt, sollte man sich genau überlegen, denn gerade diese Option hat den größten organisatorischen Aufwand für mich bedeutet.
Dennoch, das positive Feedback der Studierenden hat mich dazu bewogen, das Format genau in dieser Form auch im nächsten Semester wieder anzubieten. Außerdem hatte ich am Ende bei der Leistungsüberprüfung nicht mehr Aufwand, da alle Studierenden im Endeffekt auch die gleichen Aufgaben zu erledigen hatten.
Und dadurch, dass ich die Materialien für alle drei Varianten bereits erstellt habe, ist der Vorbereitungsaufwand im kommenden Semester ebenfalls geringer.
Auch habe ich jetzt auch schon Erfahrung bezüglich des Aufwands mit dem Switchen zwischen den Formaten, weiß also, was auf mich zukommen wird.
Alles in allem kann ich deshalb nur empfehlen: Probieren Sie es, wenn es Ihre Rahmenbedingungen ermöglichen, auch aus. Die Studierenden werden es Ihnen danken und das motiviert.
Alles in allem kann ich deshalb nur empfehlen: Probieren Sie es, wenn es Ihre Rahmenbedingungen ermöglichen, auch aus. Die Studierenden werden es Ihnen danken und das motiviert.
Mehr Ideen zum HyFlex-Lehrformat und zum hybriden Lehren gesucht?
Dann schauen Sie doch mal rein in unseren video-basierten Selbstlernkurs zum Thema.
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