In dieser Reihe berichte ich davon, was ich aus meinen Erfahrungen als Dozentin gelernt habe. Das sind Best Practices für gelungene Kurse, Seminare und Workshops: wissenschaftlich fundiert, aktivierend, motivierend und lernförderlich. Im ersten Teil geht es um Lernstationen: Weshalb setze ich sie nicht mehr ein und womit habe ich sie ersetzt?
Poor Practice Lernstationen: Ein missbrauchter Klassiker
Haben Sie in Ihrer Schulzeit auch Lernstationen erlebt?
Die Lehrkraft legt an verschiedenen Tischen Texte zum Lesen aus. Die Klasse wird in mehrere Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe setzt sich an einen Tisch und liest stillschweigend den Text. Die Lehrkraft stoppt die Zeit, nach etwa acht Minuten lässt sie die Gruppen die Station wechseln.
Ich fand diese Methode als Schülerin ätzend. Das Lesen der Texte war passiv; im besten Fall gab es zusätzlich eine kleine Übungsaufgabe oder 3-4 Minuten zum Austausch mit der Gruppe. Aufgrund der kurzen Zeit war dieser zwangsweise oberflächlich. Der Stationenwechsel war immer eine kleine Erlösung: Vielleicht wird die nächste Station interessanter? – So die unterschwellige Hoffnung. Jedoch wartete auch hier nur ein Text und weitere acht Minuten stiller Einzelarbeit.
Lernstationen wurden und werden genutzt, um die Darbietung von Informationen zu unterschiedlichen Themen „aufzulockern“. Lehrkräfte wissen nicht, wie sie in der gegebenen Zeit möglichst viel „Wissen vermitteln“ können und greifen deshalb auf die „spaßige“ Methode der Lernstationen zurück.
In diese Falle bin auch ich getappt: In zwei meiner ersten Workshops habe ich Lernstationen eingesetzt… obwohl ich sie als Lernende nie genossen habe. Die Reaktion der Teilnehmenden hätte mich eigentlich nicht überraschen sollen: Sie fanden die Lernstationen langweilig und wünschten sich eine andere Methode. Dabei hatte ich sie im zweiten Fall, weil ich bereits ein schlechtes Gefühl zur Methode hatte, mit kleinen Schokolädchen bestochen!
Better Practice: Lernstationen richtig umsetzen
Wenn man bestimmte Prinzipien beachtet, kann die Lernstationen-Methode jedoch sehr motivierend und lernförderlich sein:
- Lernstationen sollten niemals aus rein passiven Aufgaben bestehen. Für die Stationen sollte es aktivierende Aufgaben geben: Malen, experimentieren, berühren, anwenden, ausrechnen, diskutieren…
- Aus diesem Punkt ergibt sich die nächste Anforderung: Der Einsatz von Lernstationen benötigt einen längeren Zeitrahmen, mindestens 90 Minuten.
- Autonomie ist motivierend. Der starre Stationenwechsel erlaubt jedoch nur wenig
Autonomie, der Lernprozess kann nicht personalisiert werden. Optimalerweise
sollten die Lernenden mehr Autonomie erleben. Dafür gibt es unterschiedliche
Möglichkeiten:- Die Lernenden dürfen sich die Zeit selbst einteilen.
- Es müssen nicht alle Lernstationen bearbeitet werden.
- Die Lernenden dürfen sich eigenständig in Gruppen einteilen und bestimmen, welche Stationen besucht werden.
Ich denke, diese Ausführungen machen deutlich, dass Lernstationen – wenn man sie didaktisch sinnvoll umsetzen will – sehr viel Arbeit bereiten.
Alternative Best Practices: Lernstationen ersetzen mit…
Ich setze keine Lernstationen mehr ein, da ich meistens im Bereich „Lernen lernen“ lehre und sich deshalb thematisch eher wenige „haptische“ Aufgaben oder Experimente anbieten. Ich nutze stattdessen eine der folgenden Alternativen.
Flipped Classroom
Im Flipped Classroom werden Inhalte in einer Online-Lernumgebung bearbeitet, die Präsenzzeit kann mit Übung, Diskussion, Vertiefung und Reflexion gefüllt werden. Das hat den Vorteil, dass die Lernenden sich im Voraus individualisiert mit dem Thema beschäftigen können; sie kommen mit dem gleichen Vorwissen in den Workshop. Dieser wird zudem viel spannender und motivierender.
Die Vorbereitung in der Online-Lernumgebung kann ganz vielseitig gestaltet werden. Es können
z. B. Texte, Videos, Aufgaben, Quizze eingesetzt werden – je nach Thema und didaktischem Design.
Markt der Ideen
Wenn ich Teilnehmenden mehr als 10 kleine Inputs geben möchte, z. B. zu Lehrmethoden oder Lernstrategien, lege ich kurze, lebendige Arbeitsblätter im Raum aus. Ich nutze die Schriftgröße 14 für die Arbeitsblätter, sie sind maximal 1,5 Seiten lang. Passende Beispiele oder Artefakte lege oder stelle ich, wenn immer möglich, dazu.
Die Teilnehmenden bewegen sich frei im Raum und können die Texte je nach Lust und Laune
anschauen. So können sie sich auf die Inhalte konzentrieren, die ihnen besonders nützlich oder spannend erscheinen. Deshalb der Name „Markt der Ideen“: Es entsteht ein Raum, in welchem die Lernenden, wie Kunden auf dem Markt, eine Auswahl an Ideen ergattern können.
Den Markt leite ich immer ein: Ich erkläre, weshalb ich ihn einsetze und worauf die Teilnehmenden beim „Marktspaziergang“ achten sollen. Im Anschluss an den Markt frage ich, welche Ideen besonders interessant waren und welche vielleicht gefehlt haben. Es ergibt sich immer eine interessante Diskussion.
Aufgrund der hohen Autonomie und Personalisierung kommt diese Lehrmethode bei den
unterschiedlichsten Zielgruppen gut an. Bisher hat sie in meinen Workshops ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen.
Fazit: Lernstationen sind nicht der Königsweg
Der Lernstationen-Missbrauch muss in unserer Lehre ein Ende haben! Wenn Lernstationen nicht didaktisch angemessen oder ökonomisch sind, dann bietet sich als Alternative ein Flipped Classroom oder ein Markt der Ideen an.
Dieser Beitrag erschien zunächst auf bach-teachandstudy.de.
Hier wird er mit Zustimmung der Autorin veröffentlicht.
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