Die digitale Lehre bietet so einige Herausforderungen. Eine davon ist als Lehrperson vor einer „dunklen Wand“ zu sitzen, während man mittels Video-Konferenztool unterrichtet. Wie kann man als Lehrperson eine solche „dunkle Wand“ vermeiden? Oder drehen wir den Spieß um: Weshalb haben Studierende ihre Kamera während solchen Lehrveranstaltungen nicht eingeschalten? Dieser Beitrag zeigt Ihnen aus Sicht einer Studierenden, wann Sie warum mit einer „dunklen Wand“ rechnen müssen und bietet Ihnen Tipps, wie sie diese dunkle Wand vermeiden können.
Bianca Morath ist seit 2019 Teil des Teams bei Hanke-Teachertraining. Gleichzeitig studiert sie im 5. Semester Bildungswissenschaften an der Universität Freiburg und erlebt seit zwei Semestern aus Sicht der Studierenden die Online-Lehre. Hier berichtet sie, wie sie das erlebt, was Hindernisse auf Studierendenseite sein können, die Kameras einzuschalten und beschreibt, was ihr als Studentin hilft, die Kamera einzuschalten und anzulassen.
Warum bleiben die Kameras aus?
So ziemlich alle Lehrenden, die bereits mittels Video-Konferenztool unterrichtet haben, kennen die Situation: Fast alle Kameras sind ausgeschalten. Aber weshalb?
Für uns alle, Studierende und Lehrpersonen, ist die digitale Lehre eine große Umstellung und Herausforderung. Man muss sich neu organisieren, ist gezwungen sich mit technischen Hilfsmitteln zu befassen.
Als Studierende*r sitzt man während einer online Lehrveranstaltung meist in seinem/ihrem Schlafzimmer oder in einem anderen Raum. Viele Studierende haben ihre Kamera nicht eingeschalten, da sie es als unangenehm empfinden ihre Wohnungsgegebenheiten zu präsentieren. Für andere ist es eine Verletzung der Privatsphäre, wenn auf einmal der gesamte Hörsaal, einschließlich der Lehrperson, die eigenen vier Wände betrachten kann, wenn auch nur ausschnitthaft.
Im Unterschied zu den Studierenden haben Lehrende meist den Vorteil, ein Arbeitszimmer zu Hause zu haben oder ein Büro im Institut, in welchem sie unterrichten können.
Auch die allgegenwärtige Diskussion über den Datenschutz verunsichert viele Studierende und verhindert, dass sie die Kamera einschalten oder gar an einem Meeting teilnehmen.
Dazu kommt, dass man als Teilnehmende*r einer Videokonferenz auch aufgrund einer zu schlechten Internetverbindung gezwungen sein kann, die Kameras einzuschalten und immer wieder auszuschalten. So können sie zumindest noch etwas hören.
Eine mangelnde technische Ausstattung ist ein weiterer Grund für das fehlende Zuschalten mittels Kamera. Studierende haben meist nicht das Budget, sich mit technischen Hilfsmitteln wie guten Webcams oder Mikrophonen oder einer guten Internetverbindung auszustatten.
In der digitalen Lehre fehlt uns Studierenden außerdem die soziale Einbindung, alles ist anonymer. Für mich als Studierende fehlt der soziale Austausch mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen und mit der Lehrperson. Digitale Möglichkeiten bieten zwar eine Alternative, jedoch bleiben diese lediglich eine Alternative und nicht die Lösung.
Was können Lehrende tun, damit die Kameras angehen?
Wie die virtuelle Präsenzlehre aktivierend und interaktiv gestaltet werden kann, erfahren Sie auch in unserem neuen video-basierten Selbstlernkurs.
Was bedeutet dies nun aber für Sie als Lehrende? Wie können Sie Studierende dazu aktivieren, trotz all dieser Herausforderungen ihre Kameras einzuschalten? Für mich als Studentin war es z.B. sehr unterstützend, dass einige Dozierende zu Beginn der Lehrveranstaltung betont haben, dass die digitale Lehre für sie selbst neu und ungewohnt sei, und haben uns Studierende dabei sehr ermutigt, trotz der digitalen Umstände, aktiv zu sein. Dies habe ich als sehr positiv empfunden, da die soziale Komponente gestärkt wurde, man selbst hat gemerkt, dass man nicht allein ist. Sollten Sie befürchten, dadurch an Autorität zu verlieren: Das sehe ich überhaupt nicht so. Ganz im Gegenteil: Sie erreichen dadurch ein besseres gegenseitiges Verständnis.
Damit Ihre Studierenden die Kameras einschalten, können Sie sie zu Beginn auch einfach freundlich bitten, damit Sie nicht in „das große Dunkle“ sprechen. Meiner Erfahrung nach, gehen dann meist einige Kameras mit lächelnden Gesichtern an.
Ein anderer Punkt, der das Einschalten und Anlassen der Kameras aus meiner Sicht begünstigt: Ich lasse die Kamera eher an oder schalte sie sogar extra ein, sobald wir als Studierende mehr eingebunden werden. Während digitalen Lehrveranstaltungen empfinde ich es als sehr anstrengend eineinhalb Stunden am Stück der Lehrperson “nur“ zuzuhören. Nicht nur ich bin dieser Meinung, sondern viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen empfinden ähnlich. Für uns sind digitale Lehrveranstaltungen viel angenehmer und produktiver, wenn wir eingebunden werden, sei es durch kurze Lernstopps, Diskussionen in Break-out-Rooms oder durch Wortmeldungen per Mikrofon oder Chatfunktion. Wenn wir uns beteiligen können, so ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr hoch, dass wir unsere Kameras einschalten. Interaktivität und Abwechslung sind meiner Meinung nach ein Muss in der digitalen Lehre. Nutzen Sie daher die technischen Möglichkeiten.
Fazit
Es gibt natürlich noch weitere Gründe, weshalb Studierende die Kameras ausschalten oder gar nicht erst einschalten: Desinteresse, Demotivation oder anderweitige Beschäftigungen. Aber ich bin sicher, das sind nicht alle. Und durch die oben genannten Tipps, schaffen Sie es bestimmt, die motivierten und weitgehend motivierten Studierenden zu aktivieren und zu motivieren, ihre Kamera einzuschalten. Eine freundliche Bitte zu Beginn der Veranstaltung, kann viel bewirken. Denn meist ist zu Beginn die Hemmschwelle noch sehr hoch, daher hilft ein kurzer „Eisbrecher“ meist sehr.
Weitere Ideen
Weitere Ideen finden Sie in unserem videobasierten Selbstlernkurs „Virtuelle Präenzlehre lernförderlich, anregend und entspannt gestalten“
und unserem Buch „Clevere Methoden für virtuelle Präsenzkurse“.
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