von Nico Laur und Attila Duyar

Wir unterrichten als Lehrbeauftragte an der Hochschule Furtwangen an der Fakultät Medical and Life Sciences das Wahlfach „HPLC Methodenentwicklung und Optimierung“. Eine HPLC ist ein analytisches Nachweisgerät im medizinischen Bereich, mit diesem man kleinste Spuren von Stoffen (Medikamente, Stoffwechselprodukte, Vitamine, und und und) nachweisen kann. Wirklich jedes diagnostische Labor besitzt solch ein Gerät. Leider sind diese Geräte sehr teuer, wartungsintensiv und kaum eine Hochschule oder Universität ist mit solch einem Gerät ausgestattet – falls doch, dann wird dieses Gerät für Forschungsprojekte oder ähnliches rund um die Uhr beschlagnahmt. Theoretisch wird dieses Gerät und dessen Funktionsweise an jeder Hochschule gelehrt, jedoch arbeitet kaum ein Student, kaum eine Studentin praktisch damit.

Und genau an dieser Stelle kommt unsere Vorlesung ins Spiel.

Eine Brücke zwischen Studium und Praxis

Ich (Nico Laur) arbeite hauptberuflich in einem medizinisch-diagnostischem Labor, das sich auf die Entwicklung und den Nachweis von Substanzen dieser HPLC Geräte spezialisiert hat. In meinem Labor stehen acht solcher Geräte. Einige sind Testgeräte für Methodenentwicklungen, andere dienen der Diagnostik. Atilla Duyar arbeitet neben seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter als Forschungs- und Entwicklungsingenieur ebenfalls in einem medizinisch diagnostischen Unternehmen, welches sich mit der Wartung und Reinigung solcher Geräte beschäftigt. Wir beide haben an der Hochschule Furtwangen studiert und kennen uns daher schon lange. Da wir beide nun mehrere Jahre Berufserfahrung auf diesem Gebiet gesammelt haben und die Situationen der Hochschulen kennen, wollten wir die Chance nutzen und den Studierenden diese Vorlesung inklusive virtuellem Praktikum anbieten. Unsere Vorlesung mit Mini-Praktikum sieht vor, den Studenten die Möglichkeit zu geben, selbst „virtuell“ anhand von Videos eine Methode auf diesen Geräten zu entwickeln und das Ergebnis zu beurteilen.

Lehrvideos geben den Studierenden – und uns Dozenten – Informationen

Zur Einleitung in die Vorlesung haben wir mehrere Videos in Form von Powerpoint-Präsentationen erstellt. Hier werden Basics der HPLC-Methodik besprochen und der übliche Vorgang bei Methodenentwicklungen und Optimierungen besprochen. Jedes dieser Einleitungsvideos wird mit einem kurzen Mini-Test (ca. fünf Multiple-Choice-Fragen) abgeschlossen. Dies dient zum einen zur Anwesenheitskontrolle und zum anderen auch zur Kontrolle, ob die Studierenden den Inhalt prinzipiell verstanden haben. Denn jede Vorlesung baut im Prinzip auf die nachfolgende auf. Wenn man z. B. die grundlegende Arbeitsweise des Gerätes nicht verstanden hat, so weiß man später nicht, an welchen Stellschrauben man bei der eigentlichen Methodenentwicklung drehen kann bzw. darf. Über das Learning Management System ist für uns als Dozenten ersichtlich, welche Studierenden wann das Video unterbrochen bzw. pausiert haben. Daraus lässt sich für uns und unsere zukünftigen Vorlesungen ableiten, dass hier an dieser Stelle eventuell etwas genauer besprochen oder erklärt werden müsste, sollten mehrere Studierende das Video dort pausiert haben.

Praktische Arbeit aus der Ferne

Nach den Grundlagenvideos folgt der praktische Teil: Hier erarbeiten die Studierenden in kleinen Gruppen eine HPLC-Methodik. Das Thema wird von uns vorgegeben (bereits publizierte HPLC-Protokolle). Anschließend erstellten die Studierenden eine Art „Kochrezept“, d. h. sie sagen uns anhand einer Checkliste, was zu tun ist und welche Geräteeinstellungen wir vornehmen müssen. Diese Einstellungen übertragen wir auf die Testgeräte in unserer Firma und starten anschließend den Lauf. Das Ergebnis bekommen die Studierenden über unser Learning Management System mitgeteilt.

 

Eine HPLC-Anlage.
Eine HPLC-Anlage.

Anschließend folgt eine Online-Diskussion: Was ging schief? Wie beurteilt man das Ergebnis? Was könnte man verbessern? Wir hatten in der Eingangsvorlesung angekündigt, dass eine aktive Teilnahme im Diskussionsforum gewünscht wird. Wenn wir ehrlich sind, dachten wir beide, dass dies völlig ignoriert werden würde. (Wir waren schließlich auch mal Studenten und erinnern uns an unsere Studienzeit 😊) Jedoch muss gesagt werden, dass die Studierenden dieses Diskussionsforum wirklich in Anspruch genommen haben.

Dann startete der zweite Part der Vorlesung: Die HPLC-Optimierung. Nun sollte das erhaltene Ergebnis optimiert werden. Hierfür mussten sich die Studierenden wieder mit der Literatur beschäftigen: Sie mussten in Erfahrung bringen, welche Einstellungen man verändern kann und welchen Einfluss dies auf einen zu bestimmenden Analyten hat. Auch hier werden von uns wieder Videos zur Verfügung gestellt, und die Studierenden erarbeiten wiederum ein Optimierungsprogramm, welches anschließend auf die Geräte übertragen wird. Den Studierenden wird anschließend das Ergebnis online mitgeteilt.

So wurde quasi ein virtuelles Laborpraktikum simuliert.

Die Studierenden stehen nicht live vor diesem Gerät, aber arbeiten damit, als würden sie live davor stehen.

Die Reaktionen: Das virtuelle Laborpraktikum ist gelungen

Wir sind der Meinung, dass sich dieses Vorlesungskonzept mit einem Mini-Praktikum sehr gut auch für andere Bereiche und andere Fächer übertragen lässt. Hierfür müssten jedoch mehr Kooperationen zwischen Hochschulen und Industrie geknüpft werden. Denn wie bereits oben erwähnt, hat nicht jede Hochschule die entsprechenden Geräte zur Verfügung. Eine gute Kontaktpflege zu Absolvent*innen seitens der Hochschule erscheint hierfür extrem wichtig.

Umfangreiche Erfahrungen haben wir selbst noch nicht, da dies unser erstes Semester als Lehrbeauftragte ist. Die abschließende Evaluierung ist noch nicht durch, jedoch haben wir mal eine kleine Umfrage gestartet, wo wir wissen wollten, wie so eine Art von Unterricht bei den Studierenden ankommt. Bisher haben wir (bis auf einen Kommentar von einem Studenten) ausschließlich positives Feedback erhalten. Einige der Kommentare stellen wir Ihnen hier vor. Der negative Kommentar hat sich auf die abschließende Klausur nach den einzelnen Vorlesungen bezogen:

  • Teilweise waren die Fragen der Tests (vor allem des Tests zu VL5) etwas schwer zu verstehen. Nicht alle Fragen konnten anhand der Vorlesung beantwortet werden.

Hier einige positive Kommentare:

  • Mir hat gut gefallen, dass alles wichtige verständlich rübergebracht wird, aber man von der ganzen Arbeit nicht erschlagen wird (wie es leider in anderen Kursen der Fall ist). Die Tests sind gut. Videos sind sehr gut. Auch die Live-Simulation war gelungen.
  • Die Vorlesung war klar strukturiert und durch die Videos klar erklärt. Durch die wöchentlichen Tests wurde der Inhalt der jeweiligen Vorlesung nochmals überprüft und damit nochmals vertieft.
  • Sehr gut strukturiert, sehr gute Videos, interessant gestaltet und Wissen wird sehr gut vermittelt. Auch das Problem der asynchronen Vorlesung wurde durch die zeitlichen Fenster bei den Tests gut behoben. (man muss wöchentlich etwas machen und kann es nicht aufschieben). Das mit dem Praktikum war auch interessant.
  • Ich fande die Live-Methodenentwicklung etwas chaotisch aber es hat trotzdem spaß gemacht und man hat viel gelernt. Die nachfolgenden Semester können sich auf diese Vorlesung freuen.
  • Schade, dass aufgrund Corona die Vorlesungsstruktur etwas abgeändert werden musste. Trotzdem haben die Dozenten ihren Job super gemacht. Man merkt, dass diese Spaß hatten. Als kleiner Kritikpunkt. Das Praktikum müsste etwas strukturierter ablaufen aber das liegt vermutlich an der kurzen Zeit im Semester.
  • Vorlesung ist inhaltlich gut verständlich. Der klar definierte Zeitplan, ab wann die Vorlesung online ist und der Test zu machen ist wurde stets eingehalten. Fragen wurden von den Dozenten immer zeitnah und ausführlich beantwortet.
  • Man merkt, dass die Dozenten jung sind und Spaß bei der Vorlesung haben. Ich empfinde es als sehr angenehm die Vorlesungen anzuschauen. Diese sind zwar sehr reich an Informationen, aber trotzdem nicht trocken, oder überdimensioniert. Es wirkt alles etwas lockerer und trotzdem klar strukturiert und kompetent.

Vielen Dank an Nico Laur und Attila Duyar für ihren spannenden Gastbeitrag! Wir freuen uns, diesen Einblick in ihr virtuelles Laborpraktikum erhalten zu haben und hoffen, dass Sie daraus auch Inspiration schöpfen können.

Nico Laur im Foto

Nico Laur (M.Sc., Ing.) geb. 1987, Staatsexamen zum Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten (MTA-L) an der Naturwissenschaftlich Technischen Akademie (NTA) in Isny im Allgäu. Studium der „Molekularen und Technischen Medizin“ und „Medical Diagnostic Technologies“ (Techniken der Medizinischen Diagnostik) an der Hochschule Furtwangen. Derzeit Tätigkeit in einem privaten Schweizer Labor in der klinisch-medizinischen Routineanalytik und ist beteiligt an der Entwicklung neuartiger diagnostischer Methoden.

Kontakt: nico.laur@gmx.net

Atilla Duyar im Foto

Atilla Duyar (M.Sc., Ing.) geb. 1992. Seit 2008 Mitglied einer Hilfsorganisation und Sanitäter im Rettungsdienst. Studium der „Molekularen und Technische Medizin“ und „Technical Physician (M.Sc.)“ an der Hochschule Furtwangen. Seit August 2017 als Entwicklungsingenieur für die Entwicklung neuartiger Therapien von neurovaskulären Erkrankungen (bspw. Schlaganfällen) in Pforzheim tätig.

Kontakt: atilla.duyar@hs-furtwangen.de

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