„Mit Freude lehren“! Als ich meine Freude über den Erhalt meines Rezensionsexemplars des Buches meiner lieben Kollegin Andrea Klein auf meinen verschiedenen Social Media-Kanälen kundgetan habe, habe ich sehr viele „Likes“ bekommen. Der Titel spricht an, macht Lust, sich sofort hinzusetzen und zu lesen, denn was wollen wir beim Lehren: Natürlich möchten wir auch Freude dabei erleben. Und wie geht das?

Wie können wir Freude in der Lehre erleben?

Andrea Klein argumentiert in diesem Buch, dass es eine coachende Haltung als Lehrperson ist, die uns Freude erleben lässt.

Was aber ist eine coachende Haltung? Wie geht das?

Andrea Klein benennt als die drei Bausteine einer coachenden Haltung in der Lehre

  • den Konstruktivismus,
  • das systemische Denken und
  • die lethologische Haltung („Ich weiß, dass ich nichts weiß.“)

Sie hält es (Baustein 1)  für eine coachende Haltung für zentral, dass Lehrende darüber bescheid wissen, dass es im Sinne des Konstruktivismus keine objektive Wirklichkeit gibt, sondern dass jeder Mensch die eigene Wirklichkeit stets vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen und Überzeugungen/Haltungen konstruiert. Ein Bewusstsein dafür ist für Lehrende relevant, wenn sie ihre Studierenden fördern möchten. Dafür müssen sie einerseits die Wirklichkeitskonstruktionen ihrer Studierenden in den Blick nehmen, andererseits müssen sie erkennen, dass sie selbst dabei auch ihre persönliche Wirklichkeitskonstruktion zugrunde legen.

Der zweite Baustein einer coachenden Haltung ist das systemische Denken. Andrea Klein schreibt: „Das systemische Denken nimmt die Vogelperspektive ein, anstatt wie der Frosch im Gras von unten oder bestenfalls von der Seite auf die Dinge zu sehen“ (Seite 36). Wenn man systemisch denkt,

  • versucht man das Große und Ganze zu sehen,
  • die Dynamik von Prozessen zu berücksichtigen,
  • versucht nicht, bestimmte Weltphänomene in eindeutige Ursache- und Wirkungszusammenhänge zu pressen.

Ein systemisches Denken als Lehrende:r führt vielmehr dazu, dass man den Blick auf die Ressourcen von Studierenden legt, statt sie in Schubladen einzuordnen.

Den dritten Baustein bildet die sogenannte lethologische Haltung. Menschen, die diese Haltung leben – und hier ist eine große Nähe zum Baustein des Konstruktivismus spürbar –

  • sind neugierig,
  • urteilen nicht vorschnell, sondern stellen Fragen und
  • stehen auch zu ihrem Nicht-Wissen.

In der Lehre ist dies lethologische Haltung hilfreich,

  • weil man als Lehrende:r nicht verzweifeln muss, wenn man eine Frage der Studierenden nicht beantworten kann,
  • weil man in der Interaktion mit den Studierenden der Sache stets auf den Grund gehen möchte und
  • weil man sich damit als ein Mensch zeigt, der sich entwickeln möchte, der nicht „fertig“ ist, der sich als lebenslang lernende Person zeigt. – eine Haltung, die Lehrende auch bei ihren Studierenden fördern sollten.

Wie erwirbt man eine coachende Haltung?

Auch hierfür macht Andrea Klein konkrete Vorschläge. Sie empfiehlt,

  • am eigenen Menschenbild,
  • an der eigenen Lehrphilosophie,
  • dem eigenen Rollenverständnis als Lehrende:r und
  • an ungünstigen Denkmustern

zu arbeiten.

Wer dazu Lust hat und sich beim Lesen darauf einlässt, wird von Andrea Klein im Buch durch konkrete Reflexionsfragen genau zu dieser Arbeit angeregt.

Und wie setzt man die coachende Haltung methodisch in der Lehre um?

Daneben macht Andrea Klein im Kapitel 4 des Buches auch ganz konkrete Methodenvorschläge, wie eine coachende Haltung umgesetzt werden kann. Konkret geht es ums

  • Zuhören,
  • das richtige Stellen von Fragen,
  • das Erkennen der nächsten notwendigen Schritte für die jeweiligen Studierenden und um
  • das Setzen passender Impulse.

Vielleicht denken Sie jetzt, dass Sie das doch alles schon kennen und können. Allerdings muss ich sagen, dass verbunden mit einer coachenden Haltung viel mehr dahinter steckt, als auch ich zunächst dachte, und dass ich trotz 20 Jahren Lehrerfahrung und viel Beschäftigung mit der Hochschuldidaktik viele konkrete Impulse von Andreas Ideen mitnehmen konnte.

Hilfreich ist dabei, dass viele der angesprochenen Maßnahmen auch an konkreten Beispielen (Beispieldialogen) verdeutlicht werden.

Die coachende Haltung als Basis für eine entwicklungsorientierte Hochschuldidaktik?

Im letzten Kapitel ihres Buches deutet Andrea Klein noch den Zusammenhang einer coachenden Haltung in der Lehre mit dem von Burk und Stalder (2022) angestoßenen Paradigmenwechsel von der Kompetenzorientierung in der Lehre hin zu einer Entwicklungsorientierung an. Auch wenn dies auch durch das quasi zeitgleiche Erscheinen beider Bücher im Buch von Andrea Klein nur am Rande gestreift wird, denke ich, dass die coachende Haltung nicht nur die wesentliche Grundlage einer Entwicklungsorientierung in der Lehre, sondern auch ein wesentliches Ziel einer entwicklungsorientierten Lehre ist: Zu den „future skills“ gehört für mich ein Verständnis des Konstruktivismus, die Fähigkeit zum systemischen Denken und eine lethologische Haltung. Wir sollten also in der Lehre alle drei Bausteine auch bei den Studierenden fördern.

Auch wenn dies keine klassische Rezension ist, hoffe ich, dass sie Ihnen Lust auf das Lesen des Buches macht. Ich kann es nur empfehlen, denn es dürft alle, die dafür offen sind, zum Nachdenken anregen – ein weiterer Schritt, sich weiterzuentwickeln 😉. Viel Spaß.