Interview mit Dorothea Kaufmann

Als promovierte Molekularbiologin ist Dorothea Kaufmann als Studienkoordinatorin und Dozentin am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie an der Uni Heidelberg tätig. Ihre Aufgaben reichen von der Curriculumsgestaltung über die Qualitätssicherung bis zur Entwicklung und Durchführung innovativer Lehrkonzepte. Im Interview erzählt sie uns von ihrer Sicht auf die Lehre in den Naturwissenschaften sowie ihren spannenden Projekten.

UH: Dorothea, Du arbeitest derzeit an einem Test für die Studierfähigkeit von Pharmazie-Studierenden. Wie kam es dazu? Und wie wird das funktionieren?

DK: Im Dezember 2018 wurde vom Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Auswahlverfahren zum Medizin- und Pharmaziestudium den grundrechtlichen Anspruch der Studienplatzbewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot verletzt und somit in einigen Bereichen mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Deshalb müssen nun Bund und Länder die Auswahlkriterien neben der Abiturnote neu regeln.

Vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg erhielten die Universitäten, die das Studienfach Pharmazie anbieten – Heidelberg, Freiburg und Tübingen – den Auftrag, den Studierfähigkeitstest „PhaST“ zu entwickeln. Gemeinsam mit meiner Doktorandin Clara Schütte, die aus der Psychologie kommt und Spezialistin für Eignungsdiagnostik ist, haben wir die Fragen für den Teil Biologie entwickelt. Die Freiburger sind für Mathematik und Physik zuständig, aus Tübingen kommen die allgemeinen Fragen sowie die zur Chemie.

Der ganze Prozess war sehr kompliziert und nervenaufreibend, für mich war dies die erste Zusammenarbeit direkt mit dem Ministerium und über meine Uni hinaus. Aufregend war, den Staatsvertrag mitzuverhandeln, der regelt, welche Gewichtung „PhaST“ in den Auswahlverfahren am Ende haben wird.  

Zum Glück haben wir mit der Firma ITB, die auch den „Medizinertest“ TMS anbietet, einen erfahrenen Partner an Bord. So kann „PhaST“ ab März dieses Jahres starten – die ersten Interessent*innen haben sich bereits angemeldet. In den universitätseigenen Auswahlverfahren wird dann auch die Note aus dem Test für das Ranking herangezogen, die Teilnehmer*innen an „PhaST“ verbessern so ihre Chancen auf einen Studienplatz. Aktuell verhandeln wir auch mit Universitäten außerhalb von Baden-Württemberg, die gerne „PhaST“ nutzen wollen. Mein Ziel ist, dass bis 2021 alle 22 Universitäten, die Pharmazie als Studienfach anbieten, bei „PhaST“ mitmachen.

Du hast ja auch viele Hochschuldidaktik-Workshops besucht und das Zertifikat Hochschullehre des Landes Baden-Württemberg erworben und wurdest 2016 mit dem Ars-legendi Fakultätenpreis für exzellente Lehre in den Biowissenschaften ausgezeichnet. Da hast Du in den Workshops sicher viel Kontakt mit Lehrenden aus anderen Disziplinen gehabt. Was, denkst Du, ist anders beim Lehren in den Naturwissenschaften anders als in anderen Disziplinen?

Der Kontakt mir Kolleg*innen aus anderen Disziplinen war für mich immer sehr bereichernd. Der maßgebliche Unterschied in der Lehre zwischen Natur- und den Geistes- und Sozialwissenschaften ist für mich, dass es bei uns eine feststehende Lehrmeinung gibt, in den anderen Disziplinen ist dies oft viel fluider. Unsere Studierenden müssen wahnwitzige Mengen an Fachwissen in sehr kurzer Zeit verinnerlichen, hier kommt es vor allem darauf an, sie zum selbstgesteuerten und eigenverantwortlichen Lernen zu motivieren. Ich will nicht behaupten, dass dies in anderen Fächern anders wäre, aber im Gespräch mit Kolleg*innen aus anderen Fächern habe ich oftmals für großes Erstaunen gesorgt, wenn ich erwähnt habe, dass das Lehrbuch, auf dem meine Grundvorlesung aufgebaut ist, 1.600 Seiten hat.

In den Naturwissenschaften haben wir den immensen Vorteil, dass alles, was wir lehren, anwendungsbezogen ist. Die Natur, die Welt, unsere Körper funktionieren und wir können erklären, wie. So kann ich für jede Grundlagenvorlesung viele Beispiele aus Medizin und Technik heranziehen, das macht die Wissenschaft „greifbar“ und erleichtert den Studierenden das Verständnis.

Was würdest Du Kolleginnen und Kollegen aus naturwissenschaftlichen Disziplinen bezüglich der Gestaltung von Lehre als wesentliche Tipps mitgeben?

Man muss sich darüber klar sein, dass man selbst nicht das Maß der Dinge ist. Wir stehen als Dozent*innen vor Studierenden, weil wir „es geschafft haben“, weil wir zu den besten unseres Fachs gehören. Doch die, die vor uns sitzen, sind viel diverser und wir müssen alle dabei unterstützen, den Unterrichtsstoff verstehen zu können.

Eigentlich ist es ganz einfach: 20 Minuten spreche ich, dann gibt es eine kurze Murmelphase, in der die Studierenden kurz untereinander Fragen klären können, die dann noch offenen Fragen werden im Plenum besprochen und dann geht es wieder weiter mit Informationen von mir. Viele Beispiele, gerne auch ein Lehrfilm zur Abwechslung. Das wichtigste ist aber der Willen, gute Lehre machen zu wollen und diese Zeit nicht als Zeitverschwendung anzusehen.

Mir haben meine Zellkulturflaschen nie gesagt, dass sie eine tolle Zeit hatten – von meinen Studierenden höre ich dies hingegen regelmäßig.

Was sind Deine nächsten Projekte im Kontext Studium, Lehre, Studierende?

Wenn „PhaST“ läuft, kann ich mich endlich auf mein neues Projekt stürzen: Serious Games und Virtual Reality (VR). Gemeinsam mit der Hochschule der Medien in Stuttgart entwickle ich Lehrinhalte in VR, die dann innerhalb eines Serious Games erlebt werden können. Wer Spiele wie Plague Inc. kennt, kann sich vorstellen, wie das Ganze aussehen soll. Auf den ersten Blick klingt dies wie eine Spielerei, aber gerade hochkomplexe Prozesse wie die Krebsentstehung lassen sich nur unzureichend in 2D erklären. Mittels eines Serious Games können die Studierenden dann sogar selbst aktiv werden und Wissen im wahrsten Sinn des Wortes „gewinnen“.

Außerdem werde ich dieses Jahr meine Habilitation in der Fachdidaktik der Biologie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg unter der Betreuung von Prof. Dr. Lissy Jäkel abschließen. Hierfür habe ich eine Lern-App namens „MoBiLe“ (Mobil Biologie Lernen) entwickelt, die die Studierenden auf das Studium vorbereitet und auch während des Studiums weitergenutzt werden kann. Für meine Habilitation habe ich die Auswirkung von „MoBiLe“ auf die Selbstwirksamkeitserwartung, die Motivation und verschiedene Diversitätsfaktoren untersucht und ich freue mich sehr darüber, dass mittlerweile auch Kolleg*innen aus der Mathematik, Chemie und Pharmakologie meine App für ihre Lehrveranstaltungen nutzen.

Als Privatdozentin werde ich dann natürlich auch den Blick über Heidelberg hinaus schweifen lassen und neue Herausforderungen suchen – mein Ziel ist eine Professur für Fachdidaktik direkt am entsprechenden Fach, doch ich könnte mir auch die Leitung eines Studiendekanats vorstellen. Was auf jeden Fall sicher ist: Ohne Lehre will ich nicht leben, denn sie ist nach wie vor das, was ich am allerliebsten mache.

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

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